Chojna
Chojna (deutsch Königsberg in der Neumark) ist eine Kleinstadt und Sitz einer Stadt- und Landgemeinde im Westen Polens in der Woiwodschaft Westpommern.
Vom 10. bis 12. Jahrhundert existierte hier eine frühslawische Burg, vermutlich mit einem Markt. Verkehrsgünstig gelegen entwickelte sich der wechselweise zu den großpolnischen Fürstentümern oder den pommerschen Piastenherzogtümern gehörende Ort schnell. Nach 1200 soll dem Ort durch Herzog Barnim I. das Magdeburger Stadtrecht verliehen worden sein.
Der Name Konigesberge wird 1244 zum ersten Mal erwähnt. Um 1255 soll der böhmische Heerführer Ottokar II. zusammen mit Otto von Brandenburg, seinem Marschall, und einem großen Heer aus Elbing in die Region gekommen sein. Nach Überlassung der „terra Konigesberge“ 1267 durch die Bischöfe von Brandenburg an die Markgrafen von Brandenburg erhielt die Stadt Konigesberge die Marktrechte und die Gerichtsbarkeit. Sie wurde zeitweise Hauptort der Neumark. Die Pfarrkirche St. Marien wurde bereits 1282 erwähnt. 1290 wurde ein Augustiner-Kloster gestiftet. Von 1310 bis 1329 erlebte die Stadt durch den Getreidehandel einen wirtschaftlichen Aufschwung. 1320 erfolgte der Bau des Rathauses. Von den Bürgermeistern und Ratsmitgliedern, die im 14. und 15. Jahrhundert in der Stadt gedient haben, sind seit 1312 viele namentlich bekannt.
Die Waren wurden über die Flüsse Röhricke und Oder verschifft. Im 13. und 14. Jahrhundert erhielt Königsberg i. d. N. eine Stadtmauer mit drei Stadttoren (Schwedter Tor, Bernikower Tor und das im 19. Jahrhundert abgerissene Vierradener Tor) und mehreren Wehrtürmen. Von 1402 bis 1454 gehörte Königsberg i. d. N. zum Ordensstaat des deutschen Ritterordens, danach wieder zu Brandenburg. Ebenfalls in dieser Zeit wurde anstelle einer Feldsteinkirche die St.-Marien-Kirche und etwa um 1410 ein neues Rathaus erbaut. Beide Bauwerke gehören zu den bedeutendsten Bauwerken der Gotik in der Neumark.
Beim Einfall der Hussiten 1433 hielt die Stadt einer kurzen Belagerung stand. Im 15. Jahrhundert erlebte sie eine neue wirtschaftliche Blüte, um im 16. und 17. Jahrhundert dreimal von der Pest heimgesucht zu werden, der jeweils ein großer Teil der Bevölkerung zum Opfer fiel.
In der Stadt befanden sich im Mittelalter eine Reihe von Kirchen: Die Marienkirche, St. Nicolai, die Augustiner-Klosterkirche und die Hospitalkirchen zum Heiligen Geist, St. Georg und St. Gertrud. Die Reformation wurde seit 1539 bis 1553 schrittweise eingeführt, das Kloster aufgelöst. In den Gebäuden waren ab 1536 ein Spital und eine Schule untergebracht, die Klosterkirche (Dreifaltigkeitskirche) wurde als Lagerhaus genutzt.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde Königsberg i. d. N. von Wallensteins und Gustav Adolfs Truppen besetzt. Die Stadt wurde im Laufe des Krieges zu 52 Prozent zerstört. Der Turm der St.-Marien-Kirche brannte 1682 durch Blitzschlag nieder und wurde bis 1692 wieder aufgebaut. 1714 wird eine neue barocke Kanzel und 1734 die große Wagner-Orgel eingebaut.
Seit 1700 erfolgte eine wirtschaftliche Belebung, seit 1759, zur Zeit des Siebenjährigen Krieges, wurde die Stadt Sitz der neumärkischen Regierung. 1767 wurden das Schwedter und das Bernikower Tor teilweise abgebrochen. Die Steine wurden zum Bau einer Kaserne am Kloster verwandt. Königsbergs Haupterwerbszweig war der Ackerbau. Daneben gab es Baumwollwebereien, die aber ihren Niedergang um 1840 in der Industrialisierung fanden. Seit 1809 war Königsberg i. d. N. Sitz der Kreisverwaltung. Seit 1820 setzte ein starker Verfall der ehemaligen Klostergebäude ein. 1877 wurde die Stadt ans Eisenbahnnetz angeschlossen und blühte auf. Sie war für einen weiten Umkreis Schul- und Verwaltungsstadt neben der Peitschenriemenindustrie.
Im Jahr 1939 richtete die deutsche Luftwaffe vor den Toren der Stadt einen Flugplatz ein. Bei den Kämpfen im Januar 1945 wurde die Stadt von der Front überrollt. Am 4. Februar 1945 wurde der Bürgermeister von Königsberg i. d. N. (Kurt Flöter), der die Stadt ohne Räumungsbefehl verlassen hatte, in Schwedt a./Oder von einem SS-Standgericht unter Vorsitz des SS-Führers Otto Skorzeny zum Tode durch Erhängen verurteilt. Am selben Tag besetzte die Rote Armee Königsberg i. d. N. Am 16. Februar brannte die gesamte Innenstadt mit der Marienkirche und dem Rathaus ab. Die Stadt war zu 80 Prozent zerstört.
Die Stadt wurde nach Kriegsende Teil Polens und zunächst in Władysławsko umbenannt. Mit der Verordnung des Ministers für Nationale Verteidigung vom 21. August 1945 wurde der Name in Królewiec bzw. in Królewiec nad Odrą umbenannt. Der Zusatz nad Odrą wurde offenbar hinzugefügt, um Verwechslungen mit der Stadt Königsberg (Preußen), deren polonisierter Name Królewiec war und dieser im damaligen polnischen Sprachgebrauch noch aktiv angewandt wurde, zu verhindern. Aus gleichem Grunde könnte auch die abschließende Umbenennung in Chojna nad Odrą erfolgt sein, welche zum 7. Mai 1946 per Gesetz rechtskräftig wurde. Während dieser Zeit wurde die gesamte Bevölkerung unter Berufung auf die sogenannten Bierut-Dekrete aus der Neumark vertrieben, soweit sie nicht bereits geflüchtet war und es begann die Zuwanderung von Polen.
Das alte, bis auf die Grundmauern zerstörte Rathaus wurde von 1977 bis 1986 als Kulturzentrum, Stadtbibliothek und Gaststätte wieder aufgebaut. Ebenso erfolgte der Wiederaufbau des Klosters. Zurzeit wird der Marktplatz neu bebaut.
Seit 1994 wird die kriegszerstörte St.-Marien-Kirche als europäisches Projekt in deutsch-polnischer Zusammenarbeit wiederaufgebaut.
Nach dem Tod Johannes Pauls II. wurde neben der Marienkirche sein Denkmal eingeweiht.